Merksätze:
Die Festlegung von Eignungsgebieten für die Windenergienutzung stellt innergebietlich ein Ziel der Raumordnung dar und löst damit die Ausschlusswirkung nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB aus. Als privilegierte Vorhaben setzen sich derartig ausgewiesene Projekte in den Eignungsgebieten gegenüber anderen öffentlichen Belangen und Vorhaben regelmäßig durch. Diese Wirkung haben jedoch nur abwägungsfehlerfrei zustande gekommene Planungen.
Entscheidung:
Damit beginnt das Problem, wie das OVG Brandenburg in einer jüngeren Entscheidung (Urteil vom 05.07.2018, OVG 2 A 2.16 – LKV 2019, 30) deutlich macht:
Hierzu summarisch der Hintergrund: Windenergieanlagen zählen gem. § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB zu den privilegierten Vorhaben. Sie sind an Außenbereichsstandorten bauplanungsrechtlich zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen und die ausreichende Erschließung gesichert ist. Die Privilegierung verleiht ihnen gegenüber sonstigen öffentlichen Belangen damit eine erhöhte Durchsetzungskraft.
Damit der Außenbereich mit solcherlei Vorhaben nicht überbeansprucht wird, normiert § 35 Abs. 3 Satz 3 für die nach § 35 Abs. 1 Nr. 2-6 BauGB privilegierten Vorhaben – so auch Windenergieanlagen – einen sogenannten Planvorbehalt. Standortflächen können für entsprechende Vorhaben in Flächennutzungsplänen oder als Ziele der Raumordnung ausgewiesen werden und dies kann mit einer Ausschlusswirkung für den übrigen Planungsraum verbunden werden. In der Regel stehen den Vorhaben dann außerhalb dieser planerisch ausgewiesenen Konzentrationsflächen öffentliche Belange entgegen, sodass sie außerhalb dieser Eignungsfläche unzulässig sind. Mit Hilfe dieses Planvorbehalts können Kommunen und die zuständigen Raumordnungsbehörden also die Standorte von privilegierten Vorhaben steuern, wobei Hauptanwendungsfall in der Praxis Windenergieanlagen sind. Standortsteuernde Wirkungen entfalten jedoch nur abwägungsfehlerfrei zustande gekommene Planungen.
Hieran fehlt es nach der Auffassung des OVG Brandenburg am Regionalplan „Havelland-Fläming 2020“, da er Fehler bei der Unterscheidung harter und weicher Tabuzonen aufwies. Die Unterscheidung von harten und weichen Tabuzonen ist ein „Klassiker“ der planungsrechtlichen Fehlerlehre und so ist das OVG hier zugegebenermaßen sehr streng (kritisch auch Albrecht/Zschiegener, NVwZ 2019, 444). Zunächst ist völlig klar, dass zwischen der Qualität solcher Tabuzonen überhaupt unterschieden wird (siehe auch zur gemeindlichen Planung von Windenergieanlagen: Just, LKV 2016, 248, 251 und OVG Magdeburg 2 L 1/13; OVG Weimar ZUR 2015, 318). Während harte Tabuzonen Standorte von Windenergieanlagen generell ausschließen, sind bei weichen Tabuzonen Windkraftanlagen im Ergebnis aus unterschiedlichen Gründen ausgeschlossen, jedoch ist dies für jede weiche Tabuzone gesondert abzuwägen, bedarf einer Begründung und Dokumentation. Die Unterscheidung zwischen harten und weichen Tabuzonen ergibt sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz, sondern mittelbar aus dem planerischen Abwägungsgebot, vgl. § 7 Abs. 2 Satz 1 ROG.
Das OVG hat es mit Schutzabständen zu Siedlungsbereichen zu tun, die sich aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG in Verbindung mit der TA Lärm ergeben können, aufgrund der zunehmende Höhe der Windenergieanlagen jedoch auch aus dem Gebot der baulichen Rücksichtnahme (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB für Außenbereichsvorhaben) ergeben können. Daraus ergeben sich in der Regel Abstandserfordernisse von 400 m bis 600 m, bei Anlagenhöhen von 200 m jedoch regelmäßig auch Abstandserfordernisse von mindestens 500 m bis 800 m.
Neben diesen zwingenden Abstandserfordernissen können Plangeber jedoch unter Vorsorgegesichtspunkten auch weitergehende Abstandserfordernisse planerisch festsetzen, solange das Gebot einer gerechten Abwägung gewahrt bleibt.
Das OVG Berlin-Brandenburg zeigt damit zutreffend auf, dass die planerisch ausgewiesenen Abstände von Windenergieanlagen gegenüber geschützten Siedlungsbereichen zwei unterschiedliche rechtliche Qualitäten beinhalten können. Fehler war nach Auffassung des OVG hier nun, dass die Tabukriterien vom Plangeber einheitlich als weiche Tabukriterien gefasst wurden, während zumindest die zwingend Abstandserfordernisse jedenfalls harte Tabukriterien seien. Der Plan ist hier begrifflich missglückt.
Hinweise:
In der rechtlichen Beurteilung hat dies für den Plan nach der Auffassung des OVG Berlin-Brandenburg (kritisch: Albrecht/Zschiegener, a. a. O. jedoch fatale Folgen: Es handelt sich nicht um eine in der Regel rechtlich unzulässige Falschbezeichnung („falsa demonstratio“), sondern der Plan ist insgesamt unwirksam. Er kann dann auch nicht mehr geheilt werden, sondern muss neu aufgestellt werden. Auch im Detail lohnt daher hartnäckige Genauigkeit.
Christoph Just LL.M. ist Partner unserer Sozietät in Frankfurt am Main und Fachanwalt für Steuer- und Verwaltungsrecht. Seine Praxis fokussiert sich auf Prozessführung (staatliche und Schiedsgerichtsbarkeit) wie auch auf regulatory (Umwelt, Energie, Vergabe).