Mit der heute bekanntgegebenen Verfahrenseinleitung gegen Facebook, feilt das Bundeskartellamt weiter an seinem Image als Vorreiter bei der kartellrechtlichen Überprüfung digitaler Märkte. Erste Beobachter verweisen bereits darauf, in dem Manöver des Amtes sei der Versuch zu sehen, Datenschutz mit den Mitteln des Kartellrechts durchzusetzen. Tatsächlich dürfte der Fall aber vor allem zur Diskussion um Marktbeherrschung auf dynamischen Märkten und die wettbewerbsrechtlichen Anerkennung von Daten als Wirtschaftsgut beitragen.

Worum geht es?

Wer Facebook nutzen möchte, muss in die allgemeinen Geschäftsbedingungen und Datenschutzerklärung des Unternehmens einwilligen. Durch diese werden Facebook weitreichende Rechte zur Verwendung persönlicher Daten der Nutzer eingeräumt. Diese Daten nutzt Facebook, um Unternehmen, die auf Facebook werben wollen, maßgeschneiderte und zielgruppenorientierte Werbung zu ermöglichen. Es besteht dabei auch der Verdacht, dass Facebook diese Daten unter Verstoß gegen Datenschutzrecht erlangt bzw. nutzt.

Warum handelt es sich um einen kartellrechtlichen Fall?

Vorbehaltlicher allgemeiner schuldrechtlicher Vorgaben zur Gestaltung von Verträgen sind Unternehmen hinsichtlich der Ausgestaltung ihrer Preise und Konditionen für die Nutzung ihrer Leistungen frei. Dies gilt nicht im gleichen Maße für marktbeherrschende Unternehmen. Diese unterliegen vielmehr der Kontrolle der missbräuchlichen Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung nach § 19 GWB bzw. Art. 102 AEUV.

Im Rahmen dieser kartellrechtliche Missbrauchskontrolle werden verschiedene Fallgruppen missbräuchlichen Verhaltens abgeprüft. Eine dieser Fallgruppen ist auch der im vorliegenden Fall relevante Konditionenmissbrauch (§ 19 Abs. 2 Nr. 2 und 3 GWB). Geprüft wird daher, ob die von einem marktbeherrschenden Unternehmen verlangten Konditionen (häufig Geschäftsbedingungen) missbräuchlich sind, weil sie andere Marktteilnehmer ohne sachlichen Grund behindern oder diskriminieren. Im Kern läuft die Prüfung des Konditionenmissbrauchs auf eine Interessenabwägung hinaus.

Worauf wird es im Verfahren ankommen?

In erster Linie must festgestellt werden, dass Facebook über eine marktbeherrschende Stellung verfügt. Hiervon ist nach deutschem Recht gemäß § 18 Abs. 4 GWB auszugehen, sofern ein Unternehmen über einen Marktanteil von mindestens 40 % verfügt. Das Bundeskartellamt deutet bereits an, dass es von dem relevanten Markt für „Soziale Netzwerke“ (Facebook, Google+, Twitter etc.) ausgeht. Allerdings genügt auf dynamischen Märkten eine statische Betrachtung der Marktanteile nicht. Dementsprechend hat das Bundeskartellamt den Zusammenschluss zweier Onlinedatingplattformen freigegeben, obwohl diese einen gemeinsamen Marktanteil von deutlich über 40 % aufwiesen. Daher ist auch im vorliegenden Verfahren zu berücksichtigen, dass Nutzer mehrere Netzwerke parallel nutzen können. Zudem können auch die hier relevanten Daten durch denselben Nutzer bei verschiedenen Netzwerken parallel hinterlegt werden. Daten sind daher gegenüber Geld ein weniger knappes Gut.

Aus kartellrechtlicher Sicht weniger relevant ist dagegen die Frage, ob Facebook durch sein Verhalten gegen datenschutzrechtliche Vorgaben verstößt. Es ist insoweit sicherlich ein Indikator für den Zusammenhang zwischen der Marktmacht von Facebook und deren missbräuchlichen Ausnutzung, wenn das Unternehmen von seinen Nutzern Verhaltensweisen verlangen kann, die gegen gesetzliche Vorschriften verstoßen. Ein Datenschutzrechtsverstoß ist jedoch für die Feststellung, dass von den Nutzern missbräuchliche Konditionen verlangt werden, nicht notwendig. Umgekehrt würde ein Datenschutzrechtsverstoß von einem nicht marktbeherrschenden Unternehmen niemals ein entsprechendes Verfahren des Bundeskartellamtes auslösen.

Je nach Ausgang des Verfahrens wird das Bundeskartellamt gleichwohl seine Rolle als Verbraucherschützer unterstreichen, und auf den erhöhten Datenschutz verweisen. Diese Verweise sind jedoch als bloße politische Äußerungen zu verstehen. Denn in der deutschen und europäischen Kartellrechtstradition ist der Verbraucherschutz allenfalls ein Reflex der Offenhaltung von Märkten, nicht jedoch primäres Ziel.

Interessanter ist jedoch der Aspekt des wirtschaftlichen Wertes der Daten auf dem Markt für Werbung. Hierdurch wird zunächst deutlich, dass der Zugang zu Facebook für die Nutzer keineswegs kostenlos ist. Vielmehr tauschen diese ihre Daten gegen die Nutzung der Plattform. Die Nutzer sowie deren Daten bilden daher den eigentlichen Wert solcher Plattformen ab. Dies wird Auswirkungen auch für die Frage nach der Umsatzberechnung in der Fusionskontrolle haben. Derzeit erfolgt diese ausschließlich anhand der tatsächlich erzielten Umsätze der beteiligten Unternehmen. Für Zusammenschlüsse zwischen engen Wettbewerbern in der Internetökonomie scheinen die Umsätze aber ein untauglicher Proxy zur Abbildung der wirtschaftlichen Bedeutung eines Zusammenschlusses. Die Bundesregierung hat hier bereits angekündigt, im Rahmen der 9. GWB-Novelle für Abhilfe zu sorgen. Es bleibt abzuwarten, ob und in welcher Form dies geschehen wird.


Dr. Kim Manuel Künstner berät Unternehmen in allen Fragen des Kartellrechts.