1. Achtung bei Ausschluss wegen Schlechterfüllung!
Merksätze:
Möchte ein öffentlicher Auftraggeber einen Bieter wegen einer erheblichen oder fortdauernd mangelhaften Erfüllung ausschließen, muss rechtzeitig außeror-dentlich gekündigt werden.
Entscheidung:
Die Vergabekammer Brandenburg (Beschl. v. 17. Juli 2018, VK 11/18) hatte über zwei Sicherheitsdienstleistungsverträge für Bewachungsleistungen in Gemein-schaftsunterkünften für Flüchtlinge zu entscheiden. Der Auftraggeber monierte schriftlich am 22. Januar 2018 diverse Verstöße gegen Vertragsregelung und kün-digte die außerordentliche fristlose Kündigung an, sofern der Auftragnehmer er-neut gegen die gerügten Punkte verstoße. Am 24. April 2018 nahm der Auftrag-geber unangekündigte Vorortkontrollen vor und traf Mitarbeiter an, bei denen die gerügten Punkte einschlägig waren. Er kündigte schriftlich am 14. Mai 2018 die Verträge fristlos. Der Auftraggeber klagte gegen die Kündigung, während der Auftraggeber die Verträge neu ausschrieb. Der Auftragnehmer beteiligt sich auch an diesen Ausschreibungen, wird aber wegen vorhergehender Schlechtleistung ausgeschlossen. Gegen diesen Ausschluss wendet er sich.
Mit Erfolg! Die Vergabekammer hat gewissermaßen eine beschleunigte Plausibi-litätsprüfung der Rechtmäßigkeit der Kündigung durchzuführen. Eine rechtskräf-tige Entscheidung des Zivilgerichts oder eine vollumfängliche Prüfung der Rechtmäßigkeit der Prüfkündigung sind hingegen nicht erforderlich. Im Fall der VK Brandenburg war § 626 Abs. 2 BGB zu beachten. Nach dieser Vorschrift ist eine außerordentliche Kündigung nur innerhalb von 2 Wochen statthaft, nachdem der Auftraggeber von den maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangte. Dies war bei den Vorprüfungen der Fall, dass die Kündigung am 14. Mai 2018 zu spät er-folgte, damit für den Ausschluss nicht mehr zu berücksichtigen war.
Hinweise:
§ 124 Abs. 1 Nr. 7 ist im GWB neu geregelt, der Sache war auch zuvor die Schlechtleistung Grund für die Nichtberücksichtigung eines Bieters. Zu beachten sind hier die Vorschriften des BGB. Der Auftraggeber hat vorliegend zudem offen den Fehler gemacht, sich ausschließlich auf die „vorzeitige Beendigung“ zu stützen, während die Vorschrift auch Schadenersatz oder eine vergleichbare Rechtsfolge aufführt, zu denen die erhebliche oder fortdauernd mangelhafte Vertragserfüllung führen konnte.
2. „Vergleichbar“ ist nicht „identisch“!
Merksätze:
Der öffentliche Auftraggeber schrieb Entsorgungsdienstleistungen aus, die die Übernahme und Vergärung von Bioabfall aus der Biotonne betrafen. Er forderte u. a. eine Liste mit Referenzen über ausgeführte „vergleichbare Leistungen“ aus den letzten 3 Jahren, jeweils mit Angabe der Mengen, Leistungszeiträume, Auf-traggeber und Ansprechpartner. Ein Bieter rügte die Wertung zu Gunsten des Bestbieters, da dieser keine Referenzen für „vergleichbare Leistungen“ haben könne. Er betreibe lediglich eine Vergärungsanlage für nachwachsende Rohstoffe, nicht aber verwendete er Bioabfälle im Umfang des ausgeschriebenen Auftrags.
Entscheidung:
Das OLG München (Beschl. v. 27. Juli 2018, Az. Verg 2/18) entschied abschlägig: Öffentliche Aufträge sind an geeignete Unternehmer zu vergeben, § 122 GWB. Welche Anforderung an die Eignung zu stellen sind, legt der Auftraggeber fest und bestimmt die erforderlichen Erklärung und Nachweise entsprechend. Legt ein Auftraggeber, wie hier, als Referenzen „vergleichbare Leistungen“ fest, genügt es hierfür, dass die Referenzleistungen den ausgeschriebenen Leistungen soweit ähneln, dass sie einen tragfähigen Rückschuss auf die Leistungsfähigkeit des Bieters für die ausgeschriebene Leistungen zulassen. Dabei muss der herangezogene Auftrag mit dem ausgeschriebenen Auftrag nicht identisch sein. Dem Auftraggeber bleibt ein Beurteilungsspielraum, den der Auftraggeber hier zulässig ausübte. Das Vergärungsverfahren bei Grüngut wegen der üblichen Vermischung mit anderen Abfällen unterscheide sich nicht relevant vom Bioabfall. In Bezug auf Logistik und Transport fielen ähnliche Maßstäbe an. Auch wenn der reine Anteile von Bioabfall zurückblieb, wertete der Auftraggeber zulässigerweise, dass die Entsorgungsanlage des Bestbieters mit diesen Mengen nicht ausgelastet sei, sondern für höhere Mengen ausgerichtet und insofern genügend Kapazitäten böte.
Hinweise:
Der öffentliche Auftraggeber hat bei der Bewertung der Vergleichbarkeit einen eher weiten Spielraum. Je nach Art und Natur der ausgeschriebenen Leistung muss der Auftraggeber aber ggf. näher konkretisierende Vorgaben festlegen, um die Vergleichbarkeit hinreichend fasslich zu machen.
3. Bedarfs-/Eventual- oder Alternativ-/Wahlposition?
Merksätze:
Der öffentliche Auftraggeber muss aus Transparenzgründen eindeutig mitteilen, welche Positionen er mit welcher Funktion ausschreibt.
Entscheidung:
Der VK Bund (Beschl. v. 23. Februar 2017, VK 1-11/17) hatte über einen Auftrag betreffend die Umgestaltung eines Zentralen Omnibusbahnhofs zu entscheiden. Die Baubeschreibung teilt mit: „Bedarfspositionen sind im Leistungsverzeichnis nicht vorhanden.“ Als „Zulage“ zu Wetterschutzdächern sah das Leistungsver-zeichnis jedoch vor, dass diese alternativ in Sichtbetonqualität „SB4“ oder dem höherwertigen „SB1“ ausgebildet werden sollten. Beide Positionen werden aus-drücklich als „Bedarfsposition“ bezeichnet. Der unterlegene Bieter B rügt, der Auftraggeber habe den Bestbieter unter Berücksichtigung der Qualität „SB1“ be-rücksichtigt, während er selbst das wirtschaftlichste Angebot abgegeben hätte, wäre „SB4“ gewählt worden. Die Ausschreibungsunterlagen seien daher insofern unklar, weil nicht hinreichend transparent sei, welche Leistung letztlich bezu-schlagt werden sollte.
Die VK Bund folgte dem unterlegenden Bieter. Ein branchenkundiger objektiver Empfänger könne den Vergabeunterlagen nicht eindeutig entnehmen, um welche Art von Positionen es sich bei den beiden Sichtbetonqualitäten handeln sollte.
Hinweise:
Die Begriffe werfen immer wieder Schwierigkeiten auf: „Bedarfs-“ bzw. „Even-tualpositionen“ sind Leistungen, bei denen zum Zeitpunkt der Erstellung der Leis-tungsbeschreibung noch nicht fest stand, ob und ggf. in welchem Umfang sie zur Ausführung kommen sollen. Diese Positionen enthalten nur eine im Bedarfsfall erforderliche Leistung, über die erst nach Auftragserteilung und nicht bei Ertei-lung des Zuschlags entschieden wird. Bei „Alternativ-„ bzw. „Wahlposition“ da-gegen handelt es sich um Positionen, bei den sich der Auftraggeber noch nicht auf eine bestimmte Art der Leistungserbringung festgelegt hat, sondern mehrere Al-ternativen ausschreibt, von denen er nach Kenntnisnahme der Angebotsinhalte eine Alternative für ein Zuschlag auswählt. Die erstgenannten betreffen daher das „Ob“, die zweitgenannten das „Wie“, wobei der Auftraggeber jedoch jeweils sehr eindeutig und klar bezeichnen muss, was letztlich Ausschreibungsgegenstand ist.
Christoph Just LL.M. ist Partner unserer Sozietät in Frankfurt am Main und Fachanwalt für Steuer- und Verwaltungsrecht. Seine Praxis fokussiert sich auf Prozessführung (staatliche und Schiedsgerichtsbarkeit) wie auch auf regulatory (Umwelt, Energie, Vergabe).