Ist die Kündigung eines Anstellungsverhältnisses einmal ausgesprochen, beginnen häufig die Streitigkeiten vor Gerichten. Dabei geht es einerseits um die Wirksamkeit der Kündigung selber. Eine Vielzahl von Streitigkeiten ergibt sich aber auch auf den „Nebenschauplätzen“ und sei es nur, um dort Verhandlungsmasse zu schaffen.
Daher ist es für den Arbeitgeber von größtem Interesse, im Vorfeld solcher Streitigkeiten im Zuge einer etwaigen Freistellung bis zum Beendigungszeitpunkt möglichst viele der für den Arbeitnehmer in Geld umwandelbaren Ansprüche – etwa Umwandlung von Urlaubsansprüchen – einzubeziehen und abzugelten.
Freistellung und Urlaub.
Im Fall von unwiderruflichen Freistellungen, also solchen, bei denen endgültig seitens des Arbeitgebers auf eine Arbeitserbringung durch den Arbeitnehmer verzichtet wird, ist es in der Rechtsprechung anerkannt, dass noch vorhandene Urlaubsansprüche abgegolten werden können (vgl. zuletzt BAG, Urteil v. 20. August 2019 – 9 AZR 468/18). Denn der Urlaubsanspruch wird in diesen Fällen mit der Freistellung erfüllt und erlischt nach § 362 BGB (vgl. BAG, Urteil v. 14. März 2006 - 9 AZR 11/05).
Dies führt dazu, dass eine unwiderrufliche Freistellung ohne weitere Regelung regelmäßig so auszulegen ist, dass durch sie automatisch etwaige Urlaubsansprüche abgegolten werden sollten. Dennoch, Sicherheit kann nur mit expliziter Regelung erreicht werden.
Achtung: Bei jahresübergreifenden Freistellungen ist zu beachten, dass gegen den Urlaubsanspruch aus dem neuen Jahr nur ab dem neuen Jahr aufgerechnet werden kann. Dies muss bei der Formulierung dringend berücksichtigt werden!
Freistellung und Überstunden.
Fraglich war lange, ob die Rechtsprechung zu den Urlaubsansprüchen auch für vom Arbeitnehmer angesammelte Überstunden gilt. Denn auch hier hat der Arbeitnehmer grundsätzlich ein Recht darauf, die vorhandenen „Gutstunden“ durch Freizeitausgleich oder Abgeltung auszugleichen.
Nun hat das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urteil v. 20. November 2019, Az.: 5 AZR 578/18) Klarheit geschaffen: Die Abgeltung von Überstunden im Rahmen der Freistellung muss im Gegensatz zum Urlaub ausdrücklich vereinbart werden, das Zeitguthaben erlischt nicht automatisch mit der Freistellung.
Hintergrund.
Geklagt hatte eine Arbeitnehmerin, die sich gegen ihre Kündigung wehrte und sich zunächst im Wege eines Prozessvergleichs mit dem ehemaligen Arbeitgeber einigte. Dieser enthielt neben der unwiderruflichen Freistellung auch die Gewährung „der Urlaubsansprüche der Klägerin für 2016 und 2017 (…) mit der Freistellung in Natur“. Die Arbeitnehmerin klagte auf Abgeltung der Überstunden.
Das vorinstanzliche Landesarbeitsgerichts Hamm (LAG Hamm, Urteil v. 19. Juni 2018, Az.: 12 Sa 218/18) hatte darauf abgestellt, dass der Arbeitgeber via Direktionsrecht einseitig den Abbau von positivem Zeitsaldo auf dem Arbeitszeitkonto durchsetzen könne. Daher habe es keiner ausdrücklichen Regelung bedurft.
Entscheidung.
Die Argumentation des LAG überzeugte das BAG nicht. Es führte wie auch das erstinstanzliche Arbeitsgericht Münster aus, dass es einer Bezugnahme auch auf die Abgeltung von Überstunden bedarf. Denn die Interessenlage der Parteien eines Prozessvergleichs, die sich bereits in der Freistellung befinden, mache deutlich, dass eine explizite Regelung hinsichtlich der Überstunden notwendig ist. Da der Wortlaut im vorliegenden Fall aber einen Bezug der Abgeltung neben Urlaubsansprüchen auch auf die Überstunden nicht zulasse, hatte die Arbeitnehmerin mit ihrer Klage Erfolg.
Praxis.
Für die Praxis bedeutet dies weiterhin, dass sehr genau auf die korrekte Formulierung im Rahmen von Aufhebungsverträgen und Vergleichen im Nachgang einer Kündigung mit Freistellung zu achten ist. Zwar mag auch eine umfassende Erledigungsklausel à la „alle wechselseitigen Ansprüche sind erledigt“ ausreichen. Ganz sicher geht der Arbeitgeber aber nur, wenn er die Abgeltung von bestehenden Freizeitansprüchen ausdrücklich regelt.