Nach knapp drei Jahren hat das Bundeskartellamt nunmehr seine Entscheidung in der Causa Facebook bekanntgegeben. Der Präsident des Bundeskartellamtes, Andreas Mundt, bezeichnet das Ergebnis als „innere Entflechtung“ von Facebook. Hier die wichtigsten Erkenntnisse:
Welches Verhalten wird Facebook untersagt?
Facebook soll künftig ohne entsprechende Einwilligung nicht mehr gestattet werden, sog. Nicht-Facebook-Daten einem Facebook-Konto zuzuordnen. Konkret schränkt dies zwei bisherige Praktiken von Facebook ein:
Erstens hat Facebook in der Vergangenheit bei WhatsApp und Instagram gesammelt Daten einem zugehörigen Facebook-Nutzer zugeordnet. Ohne Einwilligung müssen diese Datensätze künftig getrennt bleiben. Zweitens sammelte Facebook über Like-Buttons und andere Dienste auch auf Drittseiten Informationen über die Nutzer und ordnete diese Daten dem entsprechenden Konto zu.
Beides schränkt das Bundeskartellamt nunmehr erheblich ein und stellt es unter einen Einwilligungsvorbehalt des Nutzers. Die uneingeschränkte Nutzung der Facebook-Dienste darf zudem nicht von einer Einwilligung in die Sammlung und Zuordnung von Nicht-Facebook-Daten abhängig gemacht werden. Das Bundeskartellamt installiert damit ein strenges Kopplungsverbot.
Ist Facebook ein marktbeherrschendes Unternehmen?
Das Bundeskartellamt stuft Facebook als marktbeherrschendes Unternehmen auf dem deutschen Markt für soziale Netzwerke ein. Gemessen an den Nutzerzahlen liege der Marktanteil von Facebook bei über 95 Prozent hinsichtlich täglich aktiver Nutzer und bei über 80 Prozent bei den monatlich aktiven Nutzern.
In den Markt nicht einbezogen hat das Bundeskartellamt Dienste wie Snapchat, YouTube oder Twitter sowie berufliche Netzwerke wie LinkedIn und Xing, da diese jeweils nur einen Teilbereich der Leistungen sozialer Netzwerke wie Facebook anbieten. Aber selbst wenn man den sachlich relevanten Markt weiter fassen würde, wäre Facebook unter Berücksichtigung seiner weiteren Dienste WhatsApp und Instagram laut Bundeskartellamt marktbeherrschend.
Es ist davon auszugehen, dass Facebook gegen diese Marktabgrenzung vorgehen wird, alleine schon deshalb, um in Zukunft dem Joch der kartellrechtlichen Missbrauchskontrolle einer marktbeherrschenden Stellung zu entgehen.
Welches Fehlverhalten wird Facebook vorgeworfen?
Das Bundeskartellamt wirft Facebook vor, seine Marktmacht dazu genutzt zu haben, um von Nutzern Geschäftsbedingungen zu verlangen, die unter Wettbewerbsbedingungen nicht durchsetzbar gewesen wären. Hierbei handelt es sich um einen sogenannten Ausbeutungsmissbrauch in Form eines Konditionenmissbrauchs. Dieser erfasst nicht nur deutlich überhöhte Entgelte, die von einem marktbeherrschenden Unternehmen verlangt werden, sondern auch andere Geschäftsbedingungen, die sich nicht in monetärer Form auswirken müssen.
Das Kartellrecht knüpft daher an dieser Stelle unmittelbar an das fehlende Gleichgewicht der Vertragsparteien an. Dieser Eingriff in die Privatautonomie wird damit gerechtfertigt, dass die Datensammlung und -zusammenführung sich auch negativ auf Facebooks Konkurrenten auswirkt und dem Wettbewerb auf dem Markt für soziale Netzwerke schadet.
Anders als beim sogenannten Preishöhenmissbrauch, das heißt der Kontrolle deutlich überhöhter Entgelte, verlangt der BGH im Übrigen beim Konditionenmissbrauch keinen sogenannten Sicherheitszuschlag. Facebook wird sich daher nicht damit verteidigen können, dass die bisherige Datensammlung die Nutzer allenfalls marginal benachteiligt.
Zugleich verlangt der BGH aber beim Konditionenmissbrauch, dass die Benachteiligung Ausfluss der Marktmacht bzw. marktbeherrschenden Stellung ist. Insoweit könnte Facebook argumentieren, dass es den Nutzern in tatsächlicher Hinsicht schlicht egal ist, ob die erfassten Daten zusammengeführt werden und dieses Ergebnis durch nicht-marktbeherrschende Unternehmen erreicht werden kann.
Welche Rolle spielt der Datenschutz für die kartellrechtliche Entscheidung?
Der Vorwurf des Konditionenmissbrauchs ist nicht nur dann begründet, wenn gegen gesetzliche Wertungen verstoßen wird. Die gesetzlichen Wertungen sind jedoch nach der Rechtsprechung des BGH im Rahmen der normativen Bewertung des Verhaltens eines marktbeherrschenden Unternehmens zu berücksichtigen.
Dementsprechend hat das Bundeskartellamt geprüft, ob Facebook eine nach datenschutzrechtlichen Vorgaben hinreichende Einwilligung für das Sammeln und Zusammenführen der Nutzerdaten eingeholt hat. Im Ergebnis hat das Bundeskartellamt dies verneint.
Vor diesem Hintergrund werden aber diejenigen Stimmen nicht verstummen, die das Bundeskartellamt kritisch darauf hinweisen, dass dieses Ergebnis auch durch entsprechende Verfahren der Datenschutzbehörden hätte erreicht werden können. Insoweit bleibt die Frage offen, wie sich künftig die Zuständigkeit der Kartellbehörden einerseits und Datenschutzbehörden andererseits darstellt. Zugespitzt gefragt: beträgt der Bußgeldaufschlag bei Datenschutzverstößen in AGB durch marktbeherrschende Unternehmen 6%-Punkte des Jahresumsatzes?
Wie geht es nun weiter?
Es ist davon auszugehen, dass Facebook gerichtlich gegen die Entscheidung vorgehen wird, alleine um der Anwendbarkeit der Missbrauchskontrolle entgegenzutreten. Mangels direkter monetärer Schäden der Verbraucher ist dagegen nicht von sich anschließenden Kartellschadensersatzverfahren auszugehen.
Des Weiteren wurden im Vorfeld der Entscheidung schon Pläne bekannt, wonach Facebook seinen Messenger mit WhatsApp und Instagram zusammenlegen möchte. Die interne Verflechtung des Facebook-Konzerns schreitet daher voran und könnte der praktischen Wirksamkeit der Kartellamtsentscheidung einen Strich durch die Rechnung machen.
Zugleich zeigt der ganze Vorgang jedoch, dass es sich die Europäische Kommission bei der Freigabe des Zusammenschlusses zwischen Facebook und WhatsApp zu einfach gemacht hat und nicht den richtigen Test zur Verfügung hatte, um die erwarteten Nachteile für den Wettbewerb zu erfassen.
Aus datenschutzrechtlicher Sicht wird es spannend sein, zu beobachten, wie die vom Bundeskartellamt geforderte Einwilligung ausgestaltet sein muss, um die Datensammlung und Zusammenführung zu erlauben.
Dr. Kim Manuel Künstner berät Unternehmen in allen Fragen des Kartellrechts.