1. Die e-Vergabe ist seit der Ablauf der Übergangszeiträume des Vergaberechtsmodernisierungsgesetzes 2016 Pflicht. Dennoch bestehen vielfach Unsicherheiten. Hier ein Beispiel aus aktueller Praxis:
2. Der Auftraggeber schreibt einen öffentlichen Auftrag aus. Da die Schwellenwerte überschritten sind, erfolgt die Ausschreibung europaweit im offenen Verfahren. Die (detaillierten) Eignungskriterien bildet die Kriterien des § 122 Abs. 2 GWB ab, formuliert sie aber in einem Dokument außerhalb der Bekanntmachung aus, das über eine deep link in der Bekanntmachung erreichbar ist. Genügt das? Denn nach §§ 122 Abs. 4 S. 2 GWB, 41 VgV sind die Eignungskriterien in der Auftragsbekanntmachung, der Vorinformation oder der Aufforderung zur Interessenbestätigung aufzuführen.
3. Die Problematik ist seit einiger Zeit in der Diskussion. Für Bieter und für Auftraggeber ergeben sich unterschiedliche Prüfungsgesichtspunkte. Cum grano salis wird man sagen können: Je genauer und direkter, desto besser.
3.1 Die VK Südbayern (Z3-3-3194-1-59-12/17) entschied am 20. April 2018, dass ein Link auf die Startseite einer Vergabeplattform, wo sich der Bieter die Unterlagen aus einer Vielzahl dort gespeicherter Unterlagen, erst noch heraus suchen muss, nicht genügt. Die Entscheidungen der VK Nordbayern (RMF-SG21-3194-3-5 und 21. VK-3194-14/17) und VK Südbayern (Z3-3-31941-30.06/17) hatten es dagegen mit Fällen zu tun, in denen immerhin die Vergabeunterlagen des ausgeschriebenen Auftrags selbst direkt erreicht wurden. Die Entscheidungen dürften als großzügig gewertet werden können und sind nicht (mehr) verlässliche Leitlinie, jedenfalls außerhalb Bayerns: Das OLG Düsseldorf entschied (Verg 24/18) am 11. Juli 2018, dass ein derartig allgemeiner Link noch nicht §§ 122 GWB, 41 VgV genügt. Ausreichend dürfte nach dem OLG Düsseldorf allerdings sein, dass mit einem (Deep) Link direkt das Dokument oder die Dokumente angesteuert werden, die die Eignungskriterien enthalten. Aufzupassen ist zudem, dass die Links an die richtige Stelle gesetzt werden; „irgendwo“ genügt nicht. Schon die theoretische Gefahr, sie könnten übersehen werden, ist schädlich. Auch das OLG München hält in einer neueren Entscheidung (Verg 11/18) vom 25. Februar 2019) einen Deep Link zwar nicht für eine Möglichkeit, die in § 41 VgV vorgesehen, aber immerhin eine Erweiterung der Möglichkeiten der Bekanntmachung durch die Rechtsprechung sei. Das OLG München weist nicht zu Unrecht darauf hin, dass das Bekanntmachungsformular in der Zeichenzahl limitiert ist, Eignungskriterien daher nicht unbedingt vollständig abgebildet werden können. Es baut Auftraggebern insofern eine Brücke.
3.2 Auftragnehmern, die gegen eine ihnen abträgliche Vergabeentscheidung vorgehen wollen, verbleibt dennoch ein lohnendes Argumentationsfeld. Allerdings: Unbedingt die Rügeobliegenheit beachten (§ 160 Abs. 3 GWB). Eine Prüfung auf grobe Vergabefehler könnte eine Vergabekammer wohl vornehmen, darauf vertrauen sollte ein Bieter nicht. Im Fall des OLG München hatte der Bieter dies beachtet.