Merksatz: Wenn der Preis des Angebots im Verhältnis zu der zu erbringenden Leistung ungewöhnlich niedrig ist, muss der Auftraggeber die Zusammensetzung des Angebots im Einzelnen prüfen, § 60 Abs. 1 VgV. Dabei ist eine Aufklärungsfrist von einem Tag zu kurz und daher unangemessen.
Sachverhalt: Ein Bieter einer EU-weiten Ausschreibung erhielt den Zuschlag nicht, weil sein Angebotspreis bei 200 % des Preises des Bestbieters lag. Der Bieter rügte daher die beabsichtige Zuschlagsentscheidung und berief sich auf einen Verstoß des Auftraggebers gegen § 60 Abs. 1 VgV. Dieser sei seiner Aufklärungspflicht im Hinblick auf das deutlich niedrigere Angebot des Bestbieters nicht nachgekommen, da er unter anderem dem Bestbieter eine zu kurze Aufklärungsfrist von nur einem Tag gesetzt habe. Aus dem zeitlichen Ablauf der Preisaufklärung, die der Bestbieter bereits am nächsten Tag beantwortet hatte, ergebe sich eine unzureichende Preisprüfung, sodass der sehr knappe Zeitraum keinen Raum für eine umfassende Preisaufklärung ermögliche, wie dies § 60 VgV fordert. Zudem sei die Preisaufklärung nicht fristgemäß erfolgt, sondern außerhalb der gesetzten Frist, da die Übermittlung 13 Minuten zu spät erfolgte.
Entscheidung: Der dann eingelegte Nachprüfungsantrag ist unbegründet. Der vom Bieter gerügte Verstoß gegen § 60 Abs. 1 VgV liegt nicht vor.
Zwar war die Aufklärungsfrist von einem Tag in der Tat unangemessen und zu kurz. Dies kann aber der antragstellende Bieter nicht rügen, da dies nicht ihn, sondern den Bestbieter belaste.
Zur Rechtfertigung der äußerst knappen Frist kann sich der Auftraggeber nicht auf den allgemeinen Beschleunigungsgrundsatz im Vergabeverfahren berufen. Auch wenn dieser mehrfach gesetzlich unterstrichen wird, ergibt sich dies bereits aus § 20 VgV (angemessene Fristsetzung im Vergabeverfahren) sowie aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, § 97 Abs. 1 GWB.
Hinweise: Im Ergebnis steht dem Antragssteller kein Recht zu, diese Verletzung für sich geltend zu machen, vielmehr hätte der Bestbieter das Recht gehabt, die zu kurze Frist auf eine angemessene Frist zu verlängern. Die Vergabekammer des Bundes (Beschl. v. 17. Mai 2018 – VK2-38/18) entschied daher zu Recht, dass die Aufklärungsfrist von nur einem Tag zu kurz und dem Verhältnismäßigkeitsprinzip im Vergaberecht widerspricht. Fristen sind angesessen zu setzen, sodass Auftraggeber stets darauf zu achten haben, eine ausreichende Aufklärungsfrist zu gewähren und diese gegebenenfalls nach den einzelnen Umständen anzupassen, um eine umfassende Preisprüfung zu ermöglichen.
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Christoph Just LL.M. ist Partner unserer Sozietät in Frankfurt am Main und Fachanwalt für Steuer- und Verwaltungsrecht. Seine Praxis fokussiert sich auf Prozessführung (staatliche und Schiedsgerichtsbarkeit) wie auch auf regulatory (Umwelt, Energie, Vergabe).