Das Bundeskartellamt hat den Wetlease-Vertrag zwischen Air Berlin und Lufthansa über 38 Flugzeuge fusionskontrollrechtlich freigegeben. Von Interesse ist insbesondere die Tendenz des Amtes, die Leasingverträge als Zusammenschlusstatbestand im Sinne der deutschen Fusionskontrolle zu qualifizieren.
Hintergrund der Entscheidung.
Das Bundeskartellamt hat den vorsorglich als Zusammenschluss angemeldeten sog. „Wetlease-Vertrag“ über 38 Passagierflugzeuge zwischen Lufthansa und Air Berlin fusionskontrollrechtlich freigegeben. Charakteristisch für ein Wetlease ist, dass die operative Verantwortung für Flugbetrieb, Crewplanung, Wartung, Schäden Dritter sowie für die Versicherung von Flugzeugen beim Wetlease-Geber verbleibt, d.h. im vorliegenden Fall bei Air Berlin. Die Lufthansa hat nicht zugleich die freigewordenen Flugslots von Air Berlin direkt übernommen. Diese wurden vielmehr nach allgemeinen Regeln an die interessierten Luftfahrtunternehmen vergeben.
Kein Zusammenschlusstatbestand nach EU-Fusionskontrolle.
Aufgrund der Umsätze der beteiligten Unternehmen war eigentlich der Anwendungsbereich der EU-Fusionskontrolle eröffnet. Nach Angaben des Bundeskartellamtes war die Europäische Kommission jedoch der Auffassung, dass der Wetlease-Vertrag zwischen Lufthansa und Air Berlin mangels Kontrollerwerb im Sinne des Art. 3 FKVO keinen Zusammenschlusstatbestand darstelle.
Einschätzung des Bundeskartellamtes.
Das Bundeskartellamt lässt eine andere Tendenz erkennen und legt nahe, dass die Leasingverträge zwischen Lufthansa und Air Berlin den Zusammenschlusstatbestand des Vermögenserwerbs nach § 37 Abs. 1 Nr. 1 GWB darstellen. Demnach liegt nach deutschem Recht auch dann ein zu prüfender Zusammenschluss vor, sofern ein Unternehmen das Vermögen eines anderen Unternehmens ganz oder zu einem wesentlichen Teil erwirbt („asset deal“).
Die Problematik des Vermögenserwerbs liegt darin, dass nicht jeder Erwerb von Vermögensgegenständen eines anderen Unternehmens ausreichen kann, um eine fusionskontrollrechtliche Prüfung zu veranlassen. Es besteht daher Einigkeit darüber, dass mit dem Erwerb der Vermögensgegenstände auch der Eintritt in eine Wettbewerbsposition erfolgen muss. Dass war im vorliegenden Fall fraglich, da die Lufthansa gerade nicht die Flughafen-Slots von Air Berlin übernommen hat.
Das Bundeskartellamt liebäugelte gleichwohl mit der Annahme eines Vermögenserwerbs und stützte diesen Befund auf folgende Argumente:
Der Vermögenserwerb setze nicht zwingend den Erwerb eines Vollrechts voraus.
Die sechsjährige Laufzeit der Verträge sei für den Luftverkehr außergewöhnlich lange und übersteige den konkreten Streckenplanungshorizont typischer Fluggesellschaften bei weitem.
Die 38 Flugzeuge bedeutenden fast ein Viertel der aktuellen Flotte von Air Berlin und sei geeignet, die Stellung von Lufthansa auf dem Markt für point-to-point Verkehre von und nach Deutschland/Österreich zu verstärken.
Im Übrigen betrage der Flottenzuwachs der Lufthansa nach Flugzeugen auf Konzernebene ca. 7 %.
Folglich trete Lufthansa hinsichtlich der Verfügbarkeit über die 38 Flugzeuge nebst Besatzung während der Vertragslaufzeit auf dem Gesamtmarkt in die bisherige Marktstellung von Air Berlin ein.
Letztlich musste das Bundeskartellamt keine abschließende Entscheidung über das Vorliegen eines Vermögenserwerbs im Sinne des § 37 Abs. 1 Nr. 1 GWB treffen, da es keine materiell-rechtlichen Bedenken gegen den Vorgang hatte.
Folgen für die Praxis.
Die Überlegungen des Bundeskartellamtes zeigen sehr deutlich die hohe Reichweite des deutschen Fusionskontrollregimes. Durch die gegenüber der EU-Fusionskontrolle überschießenden Zusammenschlusstatbestände und die relativ geringen Inlandsumsatzschwellen, kann es regelmäßig zur Anmeldepflicht in Deutschland kommen. Die Ausführungen des Bundeskartellamtes in Sachen Lufthansa/Air Berlin zeigen deutlich, dass dies bereits beim Abschluss eines Leasingvertrages der Fall sein kann. Ähnliche Probleme stellen sich, wenn beispielsweise ein Handelsunternehmen den Mietvertrag für eine Gewerbeimmobilie von einem anderen Handelsunternehmen übernimmt.
Parteien von Zusammenschlussvorhaben mit Bezug zu Deutschland sollten dies stets in ihre regulatorische Analyse einbeziehen, da die unterlassene Anmeldung eines Zusammenschlusses in Deutschland mit empfindlichen Bußgeldern geahndet werden kann.
Dr. Kim Manuel Künstner berät Unternehmen zu allen Fragen des Kartell- und Fusionskontrollrechts.