Mit Entscheidung vom 12. Juli 2016 hat das OLG Düsseldorf den Anträgen von REWE und Markant auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Beschwerden gegen die Ministererlaubnis zur Übernahme von Tengelmann durch Edeka stattgegeben. Die Übernahme gilt daher (einstweilen) als gestoppt.
In der Folge werden die wichtigsten Fragen zur Entscheidung adressiert:
Was war konkret Gegenstand der Entscheidung?
Wirtschaftsminister Gabriel hat die Übernahme von Tengelmann durch Edeka per Ministererlaubnis (§ 42 GWB) freigegeben. Hiergegen haben REWE und Markant Beschwerde eingelegt. Dieser Beschwerde kommt jedoch kein Suspensiveffekt zu, so dass Edeka und Tengelmann den Zusammenschluss theoretisch während des laufenden Beschwerdeverfahrens vor dem OLG Düsseldorf hätten vollziehen können. Daher wurde zusätzlich der Antrag gestellt, dass das OLG Düsseldorf den Suspensiveffekt der Beschwerde von REWE und Markant richterlich anordnet.
Warum hält das OLG Düsseldorf die Ministererlaubnis für rechtswidrig?
Das OLG Düsseldorf nennt nicht weniger als sechs Gesichtspunkte, welche die Aufhebung der Ministererlaubnis rechtfertigen:
Besorgnis der Befangenheit von Sigmar Gabriel: Das OLG Düsseldorf hält die Besorgnis der Befangenheit gegen Sigmar Gabriel für begründet, da er am 1. und 16. Dezember 2015 „Sechs-Augen-Gespräche“ mit Vertretern von EDEKA und Tengelmann geführt habe. Weder über die Tatsache noch über den Inhalt solcher Gespräche wurden die anderen Beteiligten am Ministererlaubnisverfahren beteiligt. Auch in den Akten des Wirtschaftsministeriums finden sich nur indirekte Hinweise auf die Treffen. Hierdurch musste sich für REWE und Markant der Eindruck aufdrängen, das Erlaubnisverfahren werde einseitig zugunsten der Zusammenschlussparteien geführt. Das Gericht kommt zum Ergebnis, der Minister habe sich hierdurch bei der Gestaltung des Verfahrens so weit von den anerkannten rechtlichen Grundsätzen entfernt, dass die Besorgnis der Befangenheit gegeben sei.
Erhalt der Arbeitnehmerrecht kein Gemeinwohlbelang: Das OLG Düsseldorf ist der Ansicht, dass der Erhalt der bestehenden Arbeitnehmerrechte (Mitbestimmungsstrukturen und Tarifbindung) von Tengelmann kein berücksichtigungsfähiger Gemeinwohlbelang im Sinne der Ministererlaubnis sei. Dies stützt das Gericht auf den Umstand, dass Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG gleichermaßen die positive wie auch die negative Koalitionsfreiheit sichere. Die Anerkennung der Erhaltung der Arbeitnehmerrechte als Gemeinwohlbelang würde zu einer höheren Gewichtung der positiven Koalitionsfreiheit über die negative führen, was verfassungsrechtlich nicht zutreffend sei.
Arbeits- und Beschäftigungssicherheit nicht nachgewiesen: Dagegen handle es sich bei Arbeits- und Beschäftigungssicherheit zwar um Gemeinwohlbelange. Allerdings habe der Wirtschaftsminister diese auf Grundlage einer unvollständigen Tatsachengrundlage gewürdigt. Aus den ursprünglichen Planungen von Edeka und Tengelmann gehe klar hervor, dass die Übernahme mit einem erheblichen Personalabbau einhergehe. Die betriebswirtschaftliche Notwendigkeit hierzu sei durch die Nebenbestimmungen der Ministererlaubnis nicht entfallen. Das Gericht nimmt bei lebensnaher und kaufmännisch vernünftiger Betrachtung an, dass Edeka den Stellenabbau ganz oder zumindest teilweise im eigenen Verbund vornehmen würde. Dies werde durch die Nebenbestimmungen der Ministererlaubnis nicht ausgeschlossen.
Nebenbestimmung für vollständigen Stellenerhalt nicht geeignet: Das OLG Düsseldorf hält die Nebenbestimmungen der Ministererlaubnis nicht für ausreichend, um alle 16.000 Arbeitsplätze bei Tengelmann zu erhalten. Aus der Ministererlaubnis gehe jedoch hervor, dass die gesamtwirtschaftlichen Vorteile die wettbewerblichen Nachteile nur dann überwiegen, wenn sämtliche 16.000 Arbeitsplätze erhalten bleiben. Hierzu reichten die Nebenbestimmungen nicht aus. Diese erlaubten insbesondere den Tarifvertragsparteien einvernehmlich eine nach Anzahl und Art des Beschäftigungsverhältnis in keiner Weise begrenzten Vielzahl von Arbeitsplätzen bei Tengelmann abzubauen.
Nebenbestimmungen sind zu unbestimmt: Die Nebenbestimmungen zur Ministererlaubnis sind nach Ansicht der Richter teilweise zu unbestimmt. So werde es ins Ermessen der Tarifvertragsparteien gestellt, ob und in welchem Umfang welche Arbeitsplätze bei Tengelmann abgebaut werden. Dadurch sei für die Beteiligten am Ministererlaubnisverfahren nicht eindeutig erkennbar, ob und in welchem Zeitpunkt die aufschiebenden Bedingungen erfüllt sind.
Ministererlaubnis führt zu dauerhaften Verfahrenskontrolle: § 40 Abs. 3 Satz 2 GWB verbietet die Freigabe von Zusammenschlussvorhaben unter Nebenbestimmungen, sofern diese Nebenbestimmungen dazu führen, dass das zusammengeschlossene Unternehmen einer fortlaufenden Verhaltenskontrolle unterliegt. Denn die Fusionskontrolle soll bereits die strukturelle Verschlechterung der Wettbewerbsbedingungen verhindern und keine regulatorische Aufsicht für marktbeherrschende Unternehmen einrichten. Bei einzelnen auflösenden Bedingungen zur Ministererlaubnis geht das OLG Düsseldorf jedoch von der Notwendigkeit einer fortlaufenden Verhaltenskontrolle aus.
Ob darüber hinaus weitere Rechtsfehler begangen wurden, lässt das Gericht offen, da es hierauf nicht ankomme.
Ist der Zusammenschluss damit endgültig gescheitert?
Theoretisch nein. Allerdings zeichnet sich durch die Entscheidung bereits ab, dass das OLG Düsseldorf der Ministererlaubnis äußerst kritisch gegenübersteht. Denn der Suspensiveffekt der Beschwerde wird nur gewährt, wenn bei einer summarischen Überprüfung die Aufhebung der Ministererlaubnis wahrscheinlicher ist als ihre Bestätigung. Zu diesem Ergebnis ist das OLG Düsseldorf gekommen.
Zudem hat es sowohl das Verfahren als auch die Begründung der Ministererlaubnis sehr deutlich kritisiert, so dass von einer abweichenden Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht ausgegangen werden kann. Außerdem würde sich ein solches Verfahren einschließlich einer möglichen Revision zum BGH noch sehr lange hinziehen.
Dr. Kim Manuel Künstner berät Unternehmen in allen Bereichen des Kartellrechts.