Mutterschutzlohn und variable Vergütung – Neues vom BAG
Der Mutterschutzlohn und der Arbeitgeberzuschuss zum Mutterschaftsgeld stehen im Fokus eines Urteils des Bundesarbeitsgerichts vom 31. Mai 2023 (Aktenzeichen: 5 AZR 305/22). Dieses Urteil bringt mehr Klarheit für Arbeitnehmerinnen mit saisonal stark schwankender variabler Vergütung.
Hintergrund des Falls.
Eine Flugbegleiterin stritt mit Ihrer Arbeitgeberin über die Höhe des Mutterschutzlohns und des Zuschusses zum Mutterschaftsgeld. Die Vergütung der Arbeitnehmerin bestand aus einer festen Grundvergütung und insbesondere den variablen Entgeltbestandteilen für Mehrflugstunden und der Bordverkaufsprovision. Zwischen Mai und Dezember 2018 waren dies aufgrund der vermehrten Charter-Flüge zwischen EUR 380 und EUR 900 pro Monat, in der Zeit zwischen Januar und April 2019 zwischen EUR 0 und EUR 54 pro Monat.
Die beklagte Fluggesellschaft orientierte sich bei der Berechnung des Mutterschutzlohns am tariflichen Jahresarbeitszeitmodell, das eine saisonal bedingte starke Schwankung der variablen Vergütung vorsieht.
Im Mai 2019 wurde die Klägerin schwanger und befand sich in einem Beschäftigungsverbot. Im Februar 2020 brachte die Arbeitnehmerin ihr Kind zur Welt. Da gemäß dem eindeutigen Wortlaut des § 18 Satz 2 Mutterschutzgesetzes (MuSchG) das durchschnittliche Arbeitsentgelt der letzten drei abgerechneten Monate für die Berechnung des Mutterschutzlohnes zugrunde gelegt wird, setzte auch die Fluggesellschaft lediglich diesen Referenzzeitraum an und stellte auf die Monate Februar bis April 2019 ab.
Die Arbeitnehmerin war jedoch der Ansicht, dass zur Berechnung des Mutterschutzlohnes aufgrund der starken saisonalen Schwankungen ein längerer als der gesetzliche, dreimonatige Referenzraum heranzuziehen sei. Sie forderte eine Berechnung unter Berücksichtigung eines zwölfmonatigen Referenzzeitraumes.
Das Urteil und seine Bedeutung.
Das Bundesarbeitsgericht entschied, angesichts des eindeutigen Wortlautes durchaus überraschend, dass bei saisonal sehr stark schwankender variabler Vergütung nicht der gesetzlich vorgesehene dreimonatige Referenzzeitraum, sondern ein Zeitraum von zwölf Monaten herangezogen werden kann. Diese Auslegung erfolgte im Hinblick auf das tarifliche Jahresarbeitszeitmodell, um eine gerechtere Berechnung des Mutterschutzlohns zu ermöglichen.
Die Richter betonten, dass die Anpassung des Referenzzeitraums notwendig sei, um den Gesetzeszweck zu erfüllen und tatsächlich ein „durchschnittliches Arbeitsentgelt“ als Basis zu haben. Bei außergewöhnlich schwankendem Arbeitsverdienst könne der dreimonatige Bezugszeitraum nicht angemessen sein. Das Gericht argumentierte mit dem Sinn und Zweck des Mutterschutzlohns: schwangere Frauen sollen wirtschaftlich abgesichert werden und es soll der Anreize genommen werden, in Gefährdung ihrer Gesundheit und der Gesundheit des ungeborenen Kindes weiterzuarbeiten, um einen höheren Verdienst zu erzielen. Die Beschäftigungsverbote sollen gerade zu keiner Verdienstminderung führen, damit jeder finanzielle Anreiz für die Arbeitnehmerin entfällt, die Arbeit zu ihrem und des Kindes Nachteil fortzusetzen.
Praktische Hinweise.
Das BAG stärkt die Rechte von Frauen, die nicht unter schwankenden Arbeitszeitmodellen leiden sollen.
Arbeitgeber sind nun angehalten, bei solchen Arbeitnehmerinnen den Mutterschutzlohn und den Zuschuss zum Mutterschaftsgeld gegebenenfalls unter Berücksichtigung eines längeren, bis zu zwölfmonatigen Referenzzeitraums zu berechnen.
Etwas Unsicherheit besteht jedoch nun, wann genau nun eigentlich eine derart starke Schwankung vorliegt - und was noch als angemessene Verteilung angesehen kann, die unter Berücksichtigung von dem gesetzlich vorgesehenen 3-Monatszeitraum nicht zu einer erheblichen Verzerrung des Mutterschutzlohnes führen wird. Es wird sich hier weiterhin um Ausnahmefälle handeln, wenn es im Laufe eines Jahres zu erheblichen Unterschieden bei der monatlichen Arbeitszeit kommt.
Auch bleibt die Frage offen, was passiert, wenn der 3-Monatszeitraum genau auf eine Zeit fällt, in der ein überproportional hoher Anteil an Arbeitszeit und variabler Vergütung anfällt. Mit der Begründung des BAG (dem Schutz der Mutter und des Kindes) lässt sich hier nicht begründen, dass auch dann ein längerer als der 3-Monatszeitraum zu betrachten wäre. Der allgemeine Gedanke, dass ein „durchschnittliches Arbeitsentgelt“ ermittelt werden muss, greift aber auch in dieser Konstellation.