Zur Wirksamkeit formularmässiger Bearbeitungsentgeltklauseln in Darlehensverträgen
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.
Für Verbraucherdarlehensverträge hat der Bankensenat des Bundesgerichtshofs (BGH) durch zwei parallele Urteile vom 13.05.2014 - XI ZR 405/12 bzw. XI ZR 170/13 und durch zwei weitere, bestätigende Parallelentscheidungen vom 28.10.2014 – XI ZR 348/13 bzw. XI ZR 17/14 formularmäßige Klauseln über die Erhebung eines Bearbeitungsentgelts in Darlehensverträgen zwischen einem Kreditinstitut und einem Verbraucher unwirksam erklärt.
Diese Entscheidungen haben für großen Wirbel in der Kreditbranche gesorgt – gab der BGH durch sie doch seine ältere Rechtsprechung, die Bearbeitungsentgelte in „banküblicher Höhe“ von zuletzt bis zu 2 % auch in Verbraucherdarlehensverträgen unbeanstandet ließ (zuletzt durch Urteil vom 14. September 2004 - XI ZR 11/04), ausdrücklich auf. Damit stehen Rückzahlungsforderungen in Milliardenhöhe im Raum.
Begründung:
Der BGH verfolgt in seinen Entscheidungsgründen zwei Hauptargumentationslinien: die Kontrollfähigkeit der Bearbeitungsentgeltklausel als einer Allgemeinen Geschäftsbedingung iSv § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB (AGB) nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB und ihre Unwirksamkeit im Rahmen eines Verbraucherkreditvertrages gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB.
Der mit einem solchen Entgelt abgegoltene Aufwand betreffe Maßnahmen, die regelmäßig im Zuge der Vorbereitung der Darlehensvergabe (u. a. für die Bonitäts- und Vertragsprüfung sowie Kundengespräche) und im Interesse des Kreditgebers durchgeführt werden. Sie seien weder Preisabrede für eine Hauptleistung noch Entgelt für eine Sonderleistung, sondern eine Preisnebenabrede ohne Gegenleistung. Hauptleistung des Darlehensbetrages sei jedoch die Bereitstellung der Darlehensvaluta, als dessen Gegenleistung der Darlehensgeber den Zins erhalte. Das Bearbeitungsentgelt dagegen sei kein Teilentgelt für die Darlehensgewährung, da es gerade nicht für die Kapitalnutzungsmöglichkeit anfalle. Dies folge bereits aus der laufzeitunabhängigen Gestaltung. Die Klausel könne daher nur so verstanden werden, dass der Darlehensgeber durch die Erhebung des zusätzlichen Entgelts seinen Bearbeitungsaufwand ergänzend zur gesetzlichen Regelung geltend mache.
Seine (neue) Ansicht hat der BGH im Wesentlichen damit begründet, dass das Bearbeitungsentgelt als laufzeitunabhängiges Entgelt dem gesetzlichen Leitbild des Darlehensvertrages in § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB insoweit zuwiderlaufe, als danach das darlehensvertragliche Entgelt im Interesse eines ausgewogenen Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung grundsätzlich von der Laufzeit des Vertrages abhängig ist, was jedoch für Bearbeitungsentgelte gerade nicht zutreffe.
Rechtsfolge.
Dem Verbraucher steht neben dem Anspruch auf Rückzahlung des Bearbeitungsentgelts nach § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB auch ein Anspruch auf Nutzungsersatz nach § 818 Abs. 1 BGB (deren Höhe im Wege der Schätzung mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu ermitteln ist) gegenüber dem Kreditinstitut zu.
Rechtsprechung der Obergerichte.
Bislang nicht höchstrichterlich entschieden ist dagegen, ob Bearbeitungsentgelte im unternehmerischen Verkehr formularmäßig wirksam vereinbart werden können.
Die obergerichtliche Rechtsprechung ist uneinheitlich:
Die Oberlandesgerichte (OLG) Naumburg, Frankfurt am Main und Düsseldorf haben durch Urteile vom 02.09.2015 - 5 U 67/15 (Naumburg) bzw. 25.02.2016 - 3 U 110/15 und 13.04.2016 - 19 U 110/15 (Frankfurt am Main) sowie vom 15.07.2016 – 7 U 109/15 (Düsseldorf) die Rechtsprechung des BGH auch auf Unternehmensdarlehensverträge ausgedehnt und der wirksamen Vereinbarung von Bearbeitungsentgelten im unternehmerischen Verkehr eine Absage erteilt.
Begründung.
Eine solche Klausel sei auch gegenüber einem Unternehmer eine kontrollfähige Preisnebenabrede, deren Unwirksamkeit aus ihrer Unvereinbarkeit mit dem gesetzlichen Leitbild des Darlehens im Allgemeinen folge. Dieses benachteilige alle Darlehensnehmer in gleichem Maße unangemessen. Es könne zwar im Rahmen der Inhaltskontrolle der Bearbeitungsentgeltklausel davon ausgegangen werden, dass ein Unternehmer nicht in gleichem Maße schutzbedürftig sei wie ein Verbraucher (da er Darlehensgeschäfte häufiger abschließe und über größere Geschäftserfahrung verfüge); jedoch verschaffe sich das Kreditinstitut einen Vorteil, der ihm nach dem gesetzlichen Leitbild der §§ 488 ff. BGB nicht zustehe.
Auch die Berücksichtigung der im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche (§ 310 Abs. 1 Satz 2 BGB) führe zu keinem anderen Ergebnis, da ein Handelsbrauch auf Erhebung eines Bearbeitungsentgelts nicht bestehe (OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 13.04.2016) bzw. ein solcher rechtsmissbräuchlich wäre und die Unangemessenheit iSd § 307 BGB nicht ausschließen könne (OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 25.02.2016).
Soweit ersichtlich, sind die Urteile rechtskräftig.
Anders entschieden haben das OLG München durch Hinweisbeschluss vom 13.04.2014 - 27 U 1088/14, das OLG Köln durch Urteil vom 13.07.2016 – 13 U 140/15, das OLG Dresden durch Urteil vom 03.08.2016 – 5 U 138/16 und jüngst der 17. Senat des OLG Frankfurt am Main durch Urteil vom 12.10.2016 – 17 U 165/15, die die Wirksamkeit einer formularmäßigen Bearbeitungsentgeltklausel in einem Unternehmerdarlehensvertrag bejaht haben.
Begründung.
Zwar weiche die Klausel vom gesetzlichen Leitbild ab; jedoch werde die hierdurch indizierte unangemessene Benachteiligung des Kunden bei der gebotenen Interessenabwägung durch die Besonderheiten des unternehmerischen Rechtsverkehrs widerlegt (modifizierend OLG Köln für die Vereinbarung eines Bearbeitungsentgelts bei einem Bauträgerdarlehen).
Die Revision wurde zugelassen. Beim BGH ist die Revision gegen das Urteil des OLG Dresden anhängig (BGH XI ZR 436/16).
Praktische Relevanz.
Nachdem infolge veränderter Geschäftsverteilung innerhalb der Zivilsenate des BGH der XI. Zivilsenat bis auf Weiteres für Rechtsstreitigkeiten über Darlehensverträge iSd §§ 488 ff. BGB allein zuständig sein wird (§ 132 Abs. 3 Satz 2 GVG), darf das geänderte Verständnis des BGH zur Kontrollfähigkeit und Unzulässigkeit von Bearbeitungsentgeltklauseln in Verbraucherkreditverträgen als gesetzt gelten. Der Bankensenat hat dies durch sein gerade verkündetes Urteil vom 8. November 2016 - XI ZR 552/15 bekräftigt, in dem er eine vorformulierte Bestimmung über eine "Darlehensgebühr" in Bausparverträgen zwischen Verbrauchern und Unternehmern für ebenfalls unwirksam erklärt hat.
Die Diskussion um die Wirksamkeit derartiger Entgeltklauseln auch in Unternehmerdarlehensverträgen ist dagegen in vollem Gange. Die Thematik ist nicht nur für bereits erfolgte Finanzierungen, sondern auch für die zukünftige Gestaltung gewerblicher Darlehensverträge von Relevanz.
Selbstverständlich ist grundsätzlich die Erhebung eines Bearbeitungsentgelts auch nach den Entscheidungen des BGH möglich, sofern dieses individuell ausgehandelt wird. Nur in den Fällen also, in denen ein konkretes Aushandeln des Bearbeitungsentgelts nicht stattfindet, kann überhaupt eine Übertragbarkeit der BGH-Rechtsprechung auf Unternehmerdarlehensverträge diskutiert werden.
Trotz der Annahme eines gesetzlichen Leitbilds des Darlehensrechts, das als Gegenleistung für die Darlehensgewährung nur den Zins vorsieht, anerkennt der BGH, dass auch ist § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB laufzeitunabhängige Entgelte neben dem Zins nicht zwingend ausschließt. Es bleibt daher der Ausgang des Revisionsverfahrens abzuwarten, der keinesfalls so klar wie im Falle eines Verbraucherdarlehens ist, da hier der Kontrollmaßstab erheblich abweicht:
§ 310 Abs. 1 Satz 2 BGB fordert im Rahmen der umfassenden Interessenabwägung, die im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche angemessen zu berücksichtigen. Die Vereinbarung von Bearbeitungsentgelten war bislang gängige Praxis bei Unternehmerdarlehen, sodass möglicherweise mit dieser allgemein gehandhabten Übung ein relevanter Brauch angenommen werden kann.
Eine abweichende Einschätzung könnte sich auch aus grundrechtlichen Wertungen ergeben. Die Unzulässigkeit AGB-rechtlicher Bearbeitungsentgelten bedeutet einen Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Privatautonomie des inländischen Kreditinstituts als Teil seiner Berufsfreiheit (Art. 19 Abs. 3 GG), die auch die Vertragsfreiheit in Bezug auf Vergütungsverhandlungen schützt. Da sich das Kreditinstitut und der unternehmerische Darlehensnehmer im Regelfall „auf Augenhöhe“ begegnen, dürfte dieser Eingriff jedenfalls dann verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt sein.
Nicht zuletzt aus Gründen der Rechtssicherheit wird die höchstrichterliche Entscheidung zur Zulässigkeit von Bearbeitungsentgelten in Unternehmerdarlehensverträgen mit Spannung erwartet.
Sonderfall: Konsortialdarlehen.
Die Frage, inwieweit die Entscheidungen des BGH zu den Verbraucherdarlehensverträgen für Konsortialdarlehen entsprechend herangezogen werden können, stellt sich nach unserer Auffassung nicht.
Anknüpfungspunkt für die Beurteilung, ob es sich um eine AGB handelt, ist, ob der Darlehensgeber seine Konditionen zur Disposition stellt und dem Darlehensnehmer Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen einräumt, sodass dieser die reale Möglichkeit erhält, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingungen beeinflussen zu können. Ob die Abgabe von Angeboten der Kreditinstitute ein „Stellen“ iSd § 305 BGB begründen kann, ist bei Konsortialdarlehen bereits fraglich. Jedenfalls dürfte der weitere, typische Verhandlungsgang die Merkmale eines „Aushandelns“ erfüllen, da die Vereinbarung eines Bearbeitungsentgelts regelmäßig auf einem einzelfallbezogenen Verhandlungsgespräch zwischen den Unternehmen und Kreditinstituten beruht.